„Also, wie läuft's bei dir?“, fragte ihre Sekretärin dann beinah euphorisch.
      Blair musste lachen und verschluckte sich fast an dem letzten Schluck Wasser.
      „Es ist heiß.“
      „Das ist mir klar. Ich meinte, wie sind die Kerle? Ist der Trauzeuge auch so heiß wie das Wetter?“
      Nadine war eine Frau fürs Einfache. Hauptsache die Männer sahen gut aus und waren im Bett zu gebrauchen. Dass Blairs beste Freundin in zwei Tagen heiraten würde, war vollkommen nebensächlich.
      „Ich habe keine Ahnung, wie der Trauzeuge aussieht“, meinte Blair. Das war nicht mal gelogen. Sie hatte Ian seit etlichen Jahren nicht mehr gesehen. Als er der Navy beigetreten war, hatte sie ihn vielleicht noch ein oder zweimal getroffen. Aber wenn sie später mal die Zeit fand, Serena in Coronado zu besuchen, war Ian immer irgendwo im Einsatz gewesen.
      „Oh, du musst mir unbedingt ein Foto schicken!“, unterbrach Nadine ihre Gedankenwelt.
      „Weil wir gerade bei Dingen sind, die unbedingt gemacht werden müssen“, unterbrach Blair sie, bevor Nadine richtig in Fahrt kommen konnte. „Du musst Morrison die Langston Akte bringen, sofort. Die liegt bei mir zu Hause auf dem Schreibtisch.“
      Obwohl Nadine erst seit ein paar Monaten für sie arbeitete, vertraute Blair ihr. Die Fünfundzwanzigjährige hatte einen Schlüssel für ihre Wohnung bekommen, damit sie sich während Blairs Abwesenheit um die Blumen und die Post kümmern konnte. Ihren Hund Shadow hatte Blair bei Nadines Onkel und dessen Frau abgegeben, die außerhalb von San Francisco ein Haus mit Grundstück besaßen. Sie liebten Shadow und kümmerten sich um ihn, wenn Blair den ganzen Tag im Gericht oder auf Geschäftsreise war. Und das Wichtigste: Shadow liebte die Beiden auch. Der einjährige Rüde war immer ganz aufgeregt, sobald er mitbekam, dass Blair die Stadt verließ und auf das weitläufige Grundstück der Bowers zusteuerte.
      Blair hörte Nadine seufzen und dann, wie sie auf der Tastatur vom Computer etwas tippte.
      „Also gut“, sagte sie dann. „Aber du schuldest mir etwas.“
      „Ich bezahle dich, reicht das nicht?“, lachte Blair und betrachtete die nunmehr leere Wasserflasche in ihrer Hand. Suchend sah sie sich nach einem Papierkorb um. Natürlich am anderen Ende der dummen Tankstellenanlage. Sie beendete das Gespräch mit Nadine und hatte erst zwei Schritte gemacht, als ein großer Jeep mit quietschenden Reifen auf den Parkplatz fuhr.
      Das Ungetüm kam nur haarscharf vor ihr zum Stehen.
      Grölend und lachend stiegen vier Soldaten in Trainingsanzügen aus. Dreckig und erschöpft, als wären sie von einem besonders ergiebigen Schlammlauf wiedergekommen. Ihre Uniformen konnten wahrscheinlich von alleine stehen, und laufen. Als Letzter stieg ein erstaunlich sauberer Soldat vom Fahrersitz.
      „Beherrscht euch!“, brüllte er den vier Chaoten zu, die sofort Haltung annahmen und schwiegen.           Okay, der Fahrer in der sauberen und beeindruckend schnittigen Uniform hatte ganz eindeutig das Sagen.
      „Bitte entschuldigen Sie vielmals, Miss.“ Er salutierte vor ihr, bevor sie die Gelegenheit hatte, ihn wegen seines Tempos anzuschreien. Dann nahm er seine Sonnenbrille ab und grinste. Ihr Ärger verrauchte beinahe sofort.
      Es war Ian. Seines Zeichens Trauzeuge vom Bräutigam und außerdem Bruder der Braut. Seine schwarzen Haare waren länger, nicht mehr so kurz geschoren wie auf den Fotos, die sie von ihm hatte. In seinen Augen spiegelte sich eine Härte wieder, die früher nicht da gewesen war. Vielleicht bildete sie sich Letzteres auch nur ein, denn schon blitzen seine Augen erwartungsvoll auf.
      Sie wollte gerade auf ihn zu gehen, um ihn nach all den Jahren zu umarmen, als er ihr die Hand entgegenstreckte. Ian erkannte sie nicht.
      „Commander Ian Sawyer, sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.“
      „Nun, das kann ich nicht behaupten, Commander.“
      Verblüfft ließ Ian seine Hand wieder fallen. Seine Kameraden blieben erschrocken stehen, als hätten sie noch nie erlebt, dass jemand in diesem Ton mit ihrem Vorgesetzten sprach.

      „Sie haben eindeutig die vorgeschriebene Geschwindigkeitsbegrenzung überschritten und niemand von Ihnen war angeschnallt.“ Blair deutete auf die vier Soldaten, die jetzt richtig kleinlaut wirkten. „Von der unsachgemäßen Trageweise der Uniform will ich gar nicht erst anfangen und die Manieren ihrer Truppe sind eine Zumutung für jeden Menschen in ihrer Nähe.“
      Oh, sein Blick war Gold wert. Sie hatte Mühe, sich das Grinsen zu verkneifen und ihre Anwaltsmiene aufzusetzen. Im Gericht sprach man immer davon, dass ihr kalter Blick selbst gestandene Männer erzittern ließ.
      „Ich bitte vielmals um Entschuldigung.“ Ian deutete eine kleine Verbeugung an. Als er sich wieder aufrichtete, war der Schalk in seine Augen zurückgekehrt. „Dürfte ich Sie vielleicht zum Essen einladen, als Entschädigung?“
      Blair gab vor, darüber nachzudenken.
      „Tut mir leid, ich fürchte, das kollidiert mit meinen Plänen.“
      „Sie wissen doch aber noch überhaupt nicht, welchen Abend ich vorschlagen wollte.“
      Blair atmete tief durch.
      „Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Commander. Wenn Sie mich heute Abend immer noch zum Essen einladen wollen, werde ich nicht nein sagen.“